Der Koalitionsausschuss hat am 6. September beschlossen, dass der aktuellen Asyl- und Flüchtlingssituation mit einer Reihe von Maßnahmen kurzfristig begegnet werden soll. Auf dem so genannten Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt am 24. September wurden diese von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesregierung bestätigt und konkretisiert.

Die SPD hat dabei wichtige Verbesserungen durchgesetzt, von denen alle Menschen in unserem Land profitieren: Der Bund wird den Ländern bis 2019 zusätzlich 2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Und die frei werdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld fließen künftig in eine bessere Kinderbetreuung, die allen Familien zu Gute kommt. Die Koalition hat darüber hinaus auf Druck der SPD vereinbart, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken. Die sogenannten Regionalisierungsmittel werden auf 8 Milliarden Euro jährlich und künftig um 1,8 Prozent pro Jahr erhöht.

Das mit der Union vereinbarte Asylpaket enthält unter anderen folgende wichtige Maßnahmen:

  • Von 2016 an erhalten die Länder für die Dauer des Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine monatliche Pauschale von 670 Euro pro Flüchtling. Hinzu kommen 670 Euro für einen weiteren Monat im Fall der Ablehnung. Damit löst der Bund sein Versprechen ein, sich von 2016 an strukturell und dynamisch an den Kosten für Flüchtlinge zu beteiligen.
  • Für dieses Jahr wird der Bund seine Soforthilfe nochmals auf insgesamt 2 Milliarden Euro verdoppeln.
  • Der Bund greift Ländern und Kommunen zusätzlich unter die Arme, indem er einen finanziellen Beitrag von 350 Millionen Euro zu den Kosten für unbegleitete minderjährige Ausländer leistet.
  • Darüber hinaus können die Länder eine elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge einführen. Die Kosten hierfür werden von der öffentlichen Hand getragen, gehen also nicht zu Lasten der Versicherten und der gesetzlichen Krankenkassen.

Diese und weitere Maßnahmen sind unter Federführung des Bundesinnenministeriums in zwei Gesetzentwürfen zusammengefasst: Sie heißen „Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes“ und „Entwurf eines Gesetzes zur schnelleren Entlastung der Länder und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern“ (Drs. 18/6185, 18/6172).

Für diese Gesetze muss der Bundestag einen Nachtragshaushalt genehmigen. Darum hat die Regierung zudem einen „Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines zweiten Nachtrages zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015“ erstellt (Drs. 18/6090). Alle drei Gesetzes wurden von der Koalition am Donnerstagmorgen ins Parlament eingebracht und in 1. Lesung beraten.

Im Plenum versicherte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Christine Lambrecht, dass es zu keinen Kürzungen oder Ausnahmen beim Mindestlohn für Asylbewerber kommen wird. „Wir werden nicht akzeptieren, dass Gruppen gegeneinander ausgespielt werden.“ Sie beschrieb das Leid der Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten fliehen, betonte aber auch, dass diejenigen, die kein Bleiberecht haben, konsequent zurückgeführt werden müssen. „Es geht um die Balance, und mit diesem Gesetz bekennen wir uns zu unserer humanitären Pflicht“, so Lambrecht. Sie dankte dem Technischen Hilfswerk, dem öffentlichen Dienst und der Polizei für ihre un-ermüdlichen Einsätze. (>> Video ihrer Rede)

Der Innenminister von Niedersachsen, Boris Pistorius (SPD), sprach in seiner Rede vor dem Bundestag von einer „gesamtstaatlichen Aufgabe, die bewältigt werden müsse. Es sei „Realismus“ zu sagen, dass es Grenzen der Aufnahmegeschwindigkeit und der Aufnahmekapazitäten gebe.

Pistorius machte sehr deutlich, dass der vorliegende Gesetzentwurf das Recht auf Asyl nicht schwäche, sondern im Gegenteil seine Gewährleistung sichere. „Wir verhalten und ethisch“, sagte Pistorius. Er mahnte an, dass die Länder sich auf den Bund verlassen können müssen bei der Hilfe für Flüchtlingsunterkünfte. Das Land stehe erst am Anfang einer „riesigen Aufgabe“.

Gleich zu Beginn seines Redebeitrags dankte der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Rüdiger Veit der Kanzlerin und dem Bundesinnenminister für ihren Einsatz und ihre Worte. Er sagte aber auch, dass die SPD-Fraktion im nun folgenden Gesetzgebungsverfahren noch über einige Punkte sprechen will.

Die Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion Kerstin Griese betonte, dass es für die Integration sehr wichtig sei, dass die Asylbewerber, die bleiben dürfen, schnell die Möglichkeit haben, die deutsche Sprache zu lernen. Sie lobte zudem den geplanten Ausbau der Sprachförderung (>> Video ihrer Rede).

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Johannes Kahrs versicherte in seiner Plenarrede die Unterstützung der Haushaltspolitiker für die Gesetzentwürfe.

Zu den Gesetzen:

Sichere Herkunftsstaaten: Albanien, Kosovo und Montenegro werden als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, da dort die gesetzliche Vermutung gerechtfertigt ist, dass weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfinden. Dazu müssen Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer eingestuft werden, da dort gewährleistet erscheint, dass weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfinden. Das spiegelt sich auch in einer Ablehnungsquote von über 99 Prozent wider. Um die Verfahren effektiv zu gestalten und insbesondere Rückführungen zu gewährleisten, sollen Antragsteller aus diesen Staaten bis zum Ende des Asylverfahrens zukünftig auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben.

Die Frage, wer Schutz braucht und wer nicht, wird weiterhin in einem fairen Verfahren und nach verfassungs- und europarechtlichen Maßgaben entschieden. Die SPD-Fraktion hat erreicht, dass die Liste der sicheren Herkunftsstaaten künftig alle zwei Jahre überprüft wird.

Es geht darum, so die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Aydan Özoğuz, Türen zu öffnen und legale Zuwanderungsalternativen zu schaffen (>> Video ihrer Rede).

Gleichzeitig zu den Regelungen hinsichtlich sicherer Herkunftsstaaten wird Bürgern aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans der legale Zugang zum Arbeitsmarkt vereinfacht. Wichtig war den Sozialdemokraten dabei, den Menschen Wege jenseits des Asylverfahrens zu eröffnen: Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen, seinen Lebensunterhalt und gegebenenfalls den seiner Familie selbst – ohne Sozialleistungen – decken kann und in den letzten zwei Jahren nicht als Asylbewerber oder Geduldeter in Deutschland Leistungen bezogen hat, soll mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen dürfen.

Asylverfahren: Während der Dauer des Asylverfahrens und danach bedarf es einer Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Hierfür werden zeitlich befristete Erleichterungen im Bauplanungsrecht geschaffen. Zudem werden in eng begrenztem und klar umrissenem Umfang weitere punktuelle Erleichterungen hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Energien im Gebäude vorgesehen.

Um mögliche Fehlanreize zu beseitigen, soll der Bargeldbedarf in Erstaufnahmeeinrichtungen so weit wie möglich durch Sachleistungen ersetzt werden. Auszahlungen von Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erfolgen.
Bestehende Ausreisepflichten sollen leichter durchgesetzt werden. So soll künftig nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden – damit möglichst keiner untertauchen kann. Die Höchstdauer von Abschiebeaussetzungen durch die Länder wird von sechs auf drei Monate reduziert.

Integrationsmaßnahmen: Die Menschen, die eine gute Bleibeperspektive haben, sollen möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden. Dazu werden die Integrationskurse für Asylbewerber und Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet. Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete entfällt nach drei Monaten, wenn es sich um Fachkräfte handelt. Für geringer qualifizierte Kräfte wird der Zugang zur Leiharbeit erst nach 15 Monaten möglich sein.

Zudem werden die Eingliederungstitel der Jobcenter so aufgestockt, dass dauerhaft bleibende Flüchtlinge aktiv bei der Arbeitsmarktintegration unterstützen werden können. Anerkannte Asylberechtigte werden voll arbeitsberechtigt, erhalten Leistungen der Jobcenter und zählen in der Arbeitslosenstatistik.

Klar ist auch: Einen prekären Niedriglohnsektor für Flüchtlinge, z. B. durch eine Absenkung des Mindestlohns für Flüchtlinge, wird es nicht geben.

Entlastung der Kommunen: Der Bund beteiligt sich strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten, die in Abhängigkeit von der Zahl der Aufnahme der Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen. Von 2016 an erhalten die Länder wie beschrieben für die Dauer des Asylverfahrens eine monatliche Pauschale von 670 Euro pro Flüchtling. Hinzu kommen 670 Euro für einen weiteren Monat im Fall der Ablehnung. Durch eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung nach dem Finanzausgleichsgesetz entlastet der Bund die Länder von Kosten für Asylbewerber, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und bei der Kinderbetreuung. In den Fällen, in denen die Kommunen Kostenträger sind, geben die Länder die vom Bund erhaltenen Mittel weiter. Für die enthaltenen Abschlagszahlungen erfolgt Ende 2016 eine personenscharfe Spitzabrechnung für 2016, die bei der für 2017 festzulegenden Abschlagszahlung berücksichtigt wird.

Sozialer Wohnungsbau: Die Lage am Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt, und der Bedarf nach neuen, bezahlbaren Wohnungen wird durch Asylberechtigte, die mittel- bis längerfristig in Deutschland bleiben, absehbar weiter steigen. Deshalb unterstützt der Bund Länder und Kommunen zudem beim Neubau von Wohnungen und bei der Ausweitung des Bestands an Sozialwohnungen. Das soll allen zugutekommen. Um Wohnungsneubau anzureizen, sollen die den Ländern vom Bund zugewiesenen Kompensationsmittel für den sozialen Wohnungsbau bis 2019 um insgesamt 2 Milliarden Euro erhöht werden. Im Gegenzug haben die Länder zugesagt, die Kompensationsmittel zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau zu verwenden.

Gesundheit: Um die ambulante psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung von besonders schutzbedürftigen traumatisierten Flüchtlingen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, zu ermöglichen, wird die Zulassungsverordnung der Ärzte hinsichtlich der Ermächtigungsmöglichkeiten geändert. So sollen künftig geeignete Ärzte, Psychotherapeuten und spezielle Einrichtungen, etwa Traumazentren, die bisher über keine Kassenzulassung verfügten, zur Behandlung der Asylsuchenden ermächtigt werden können.

Künftig besteht ein bundesweit einheitlicher Anspruch auf Schutzimpfungen für Asylsuchende.

Zum Nachtragshaushalt:

Mit dem Entwurf eines zweiten Nachtragshaushalts wird die zwischen Bund und Ländern am 24. September getroffene Vereinbarung zur finanziellen Bewältigung der Aufgaben im Bun-deshaushalt umgesetzt – soweit sie das Jahr 2015 betreffen. Konkret soll in diesem Jahr die bisher vorgesehene Soforthilfe für Länder und Kommunen nochmals um 1 Milliarde Euro erhöht werden, auf dann 2 Milliarden Euro.

Um künftige Aufgaben im Zusammenhang mit Flüchtlingen finanzieren zu können, soll zudem eine Rücklage von 5 Milliarden Euro gebildet werden. Für den Fall, dass sich zum Jahresabschluss weitere Entlastungen im Bundeshaushalt ergeben, werden die ebenfalls in die Rücklage fließen.

Im zweiten Nachtragshaushalt ist außerdem ein Zuschuss an den Energie- und Klimafonds (EKF) in Höhe von 1,3 Milliarden Euro vorgesehen. Ergänzend können in diesem Jahr für Programmausgaben nicht benötigte Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt in Höhe von voraussichtlich 200 Millionen Euro in die Rücklage des EKF fließen. Damit stehen im Ergebnis zusätzlich insgesamt 1,5 Milliarden Euro für die Energiewende zur Verfügung.

Schließlich wird mit dem Nachtrag ermöglicht, dass Grundstücke des Bundes mietzinsfrei für Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung gestellt und hergerichtet werden und, dass für Zweck des sozialen Wohnungsbaus Grundstücke mit Abschlag verkauft werden können.

Finanziert werden können die zusätzlichen Ausgaben im zweiten Nachtragshaushalt 2015 durch Mehreinnahmen aus der Versteigerung von Mobilfunklizenzen, weiter gestiegenen Steuereinnahmen und durch Einsparungen bei den Zinsausgaben. Der Bundeshaushalt 2015 bleibt ausgeglichen.

Das Gesetzespaket soll in der kommenden Sitzungswoche in 2./3. Lesung im Bundestag beschlossen und unmittelbar danach in den Bundesrat gehen. Am 1. November sollen die Gesetze in Kraft treten.

Alexander Linden